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Oliver M. Pawlak

1957–1967: Eine Dekade vielfältiger Protestkulturen

Wir sind durch das Wurmloch getreten, durch die Zeit gereist und befinden uns in einer anderen Dekade. Junge Leute - Hipster, Hobos und Tea-Heads - reisen kreuz und quer durch die USA, allem voran nach Westen. Sie hören Bebop-Jazz, der das veränderte Bedürfnis nach Selbstausdruck und Improvisation, Individualität und Spontanität beglaubigt. Wir spüren den Flow des Protests: die öffentliche Bezeugung von Unmut, die laut artikulierte Unzufriedenheit, den verbalen und non-verbalen Ausdruck der Ablehnung, der Abweisung, des Widerspruchs gegen bestimmte Ereignisse, Phänomene oder eine bestimmte Politik.

 

Der Protest erfolgt individuell und kollektiv – von einzelnen Meinungsäußerungen, die gegen etwas protestieren, bis zu Massendemonstrationen. Mit ihrer mobilen Lebensweise protestieren die Hipster, Hobos und Tea-Heads gegen die funktionale Leistungsgesellschaft, gegen Sesshaftigkeit, Konformismus und gegen Konventionen. Sie rebellieren gegen die kulturellen und moralischen Normen ihrer Zeit. Es ist der Protest von Jugend- bzw. Subkulturen gegen die ältere Generation und die etablierte Kultur. Sie lösen sich zunehmend von konservativen, dominierenden Werten, zugunsten einer gleichgesinnten Gemeinschaft. Kultur ist damit nicht mehr nur Tradition und geistiges Bildungsgut, sondern zugleich ein Lebensraum, der die Schaffung von Stilen und neuen Ritualen impliziert. Kleidung, Musik und Symbole werden zu identitätsstiftenden Elementen der protestierenden Jugend- und Subkulturen – den Protestkulturen. Die Distanzierung und Abgrenzung mit dem symbolischen Gebrauch von Zeichen und Ritualen dienen als distinktive Merkmale dieser Gruppen, die dadurch eigene kulturelle Güter und somit eine eigene Kultur schaffen.

 

In der Zeit, in die wir gereist sind, gibt es vielfältige Protestkulturen … Wir sehen eine Demonstration der Bürgerrechtsbewegung, des Civil Rights Movement. Es sind Proteste gegen Rassismus und für die Gleichberechtigung und Gleichstellung von schwarzen Menschen. Zugleich hören wir antimilitaristische Stimmen gegen den Vietnamkrieg. Es erklingen nun auch Stimmen, die sich gegen das leise Sterben der Natur erheben. Wir schauen uns in Deutschland um und sehen, dass auch hier eine junge Generation gegen die etablierte Kultur der älteren Generation protestiert. Dass Menschen zwischen zwei Deutschlands, zwischen zwei Systemen stehen und sich dagegenstellen. Die Steigerung des Ganzen ist der Systemsprenger, ein Trommler, den wir kreischen hören. Es wird auch gegen das Patriarchat protestiert, gegen das vermeintliche Leitbild der konsumfreudigen Hausfrau, die in diesem Rollenbild glücklich zu sein hat. Frauen fangen an konfessionelle Gedichte zu schreiben, in denen sie nichts beschönigen. Nun fahren Motorräder von rechts an uns vorbei, auf denen Hells Angels sitzen.

 

Wir hören Bob Dylan. „The Times they are a changing.“ Und dann – ja was ist das? Die Hippie-Kommune der Merry Prankster in ihrem Bus Furthur. Acid-Rock kracht durch die Verstärker. Protest gegen das Bewusstsein, gegen die Welt, wie wir sie wahrnehmen. Wir müssen sie ästhetisch verstehen und ein gemeinsames Bewusstsein entwickeln. Timothy Leary: Turn on, tune in, drop out! Grateful Dead, Sgt. Pepper … bunteste Farben! Der kollektive Dropout. Und dann steht da schließlich auch der unnachahmliche Charles Bukowski und beschreibt mit einer Fahne die Schattenseiten des American Way of Life. „A protest march, alone.” zeitgeisty ist ein Format, das in den Flow einer Epoche eintauchen lässt. Die Idee von zeitgeisty, schon im Design sichtbar, geht auf die Vorstellung eines Wurmlochs zurück, durch das man in eine andere Zeit reisen kann.

 

Mit Blick auf die Dekade von 1957–1967 ist das der Flow der Protestkulturen, die ein spezifisches Lebensgefühl dieser Zeit darstellen. Es ist eine Epoche voller Protest, der auch in Literatur und Musik ausgedrückt wird. Vom Bebop-Jazz der Hipster, Hobos und Beats in Jack Kerouacs On the Road (1957), über Charles Bukowski, Bob Dylan, Hunter S. Thompson und die Hell’s Angels bis zum psychedelischen Rock der Hippies und Acid-Heads: Ein besonderes Verhältnis von Menschen zur Musik, in Literatur vielfach festgehalten, gipfelt 1967 im Summer of Love. Buy the ticket, take the ride! Oliver M. Pawlak

Marja Kersten

Weibliche Stimmen des Protests

„Es war einmal eine Stadt im Herzen Amerikas, in der alle Geschöpfe in Harmonie mit ihrer Umwelt zu leben schienen.“ Mit diesen Worten begann die Meeresbiologin und Schriftstellerin Rachel Carson ihr Zukunftsmärchen, das in ihr Sachbuch Der stumme Frühling einführt.

 

Neben zahlreichen lauten Protestbewegungen finden sich in den 1960er-Jahren auch leisere Proteste – in Carsons Fall gegen das fortschreitende Sterben der Natur. Ihr Sachbuch wurde zu einem Klassiker der Umweltbewegung, der bis heute rezipiert wird. Auf unserer Zeitreise durch die Jahre 1957 bis 1967 begegnen wir unterschiedlichen Frauen, die ihren Protest äußern. Dass längst nicht alle Geschöpfe in Harmonie leben, zeigt auch die Feministin und Publizistin Betty Friedan mit ihrem Werk The Feminine Mystique auf, in dem sie Feminismus und Konsumkritik miteinander verbindet. Begleitet uns auf die Reise durch eine Dekade der Protestkulturen, die gesellschaftliche Strukturen mit leisen und lauten Stimmen beschreibt und zu Diskussionen anregt.

 

Be part of it!

Hellmuth Opitz

Der Flow eines Jahrzehnts

Waren die 50er Jahre im Rückblick nicht eine Dekade des gesellschaftlichen Stillstands, einer noch nachwirkenden Schockstarre aus dem Zweiten Weltkrieg, einer Zukunftsangst angesichts neuer Unbeherrschbarkeiten wie der Atomkraft und der lähmenden Spannung des Kalten Krieges?

 

Und doch setzte sich ab 1957 etwas in Bewegung: Aus einem vermeintlich trägen Fluss wurde im Lauf der nächsten Jahre ein (mit) reißender Strom mit Schnellen, Strudeln und Untiefen. Aus einem zukunftsverzagten Jahrzehnt wurde binnen kurzer Zeit eines der fortschrittsgläubigsten mit einer ungeheuren Dynamik. Die 60er Jahre änderten alles: Technik, Politik, Visionen, Protest- und Widerstandskultur, revolutionäres Bewusstsein, Musik, Kunst, Literatur, kurz: ein allumfassender gesamtgesellschaftlicher Aufbruch.

 

Aber was setzte das Ganze in Bewegung? Was war der entscheidende Impuls? Das Stimulans? Mit „zeitgeisty – Protestkulturen 1957-67“ begeben wir uns auf Spurensuche und laden dazu ein, sich – um im Bild des Stroms zu bleiben – treiben zu lassen. Wer weiß, wo er einen absetzt...

Reise durch die Zeit mit zeitgeisty!

Travel through time with zeitgeisty!

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Entstehung von zeitgeisty

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Origin of zeitgeisty

Oliver hat Literaturwissenschaften studiert und sich dabei viel mit der Verbindung von Literatur, Kunst, Musik und sozialen Bewegungen befasst ...

Reise mit zeitgeisty digital x mapstories interaktiv und multimedial durch das Programm zeitgeisty. be part of … Protestkulturen 1957-1967 und tauche in den Flow der Protestkulturen dieser Epoche ein.

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Travel with zeitgeisty digital x mapstories interactively and multimedia-based through the programme zeitgeisty. be part of ... Protestcultures 1957-1967 and immerse yourself in the flow of protest cultures of this era.

ZWISCHEN DEN TEXTEN DIE MAP

zeitgeisty digital X mapstories wurde in Zusammenarbeit mit re:edu und vomkiosk entwickelt, ausgehend von der Plattform »mapstories«, die re:edu in Kooperation mit Vamos e.V. begründet hat.

Die hier enthaltenen spezifischen Inhalte aus Archiven wurden in Kooperation mit dem Stadtarchiv Bielefeld, dem Stadtarchiv Gütersloh und einem ganzen Netzwerk weiterer Archive recherchiert, was vom Stadtarchiv Bielefeld aus koordiniert wurde. Wissenschaftlich begleitet und durch Texte angereichert wird es in Kooperation mit einem geschichtswissenschaftlichen Seminar an der Universität Bielefeld im Wintersemester 2023, das den Titel Das Lokale global denken: Jugendkultur, Protest und Musik in Ostwestfalen seit den 1950er Jahren trägt und von Prof. Dr. Klaus Weinhauer geleitet wird.

 

zeitgeisty digital X mapstories wird im Rahmen von zeitgeisty. be part of … Protestkulturen 1957-1967 gefördert vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen im Programm »Regionale Kulturpolitik« sowie der Kunststiftung NRW. In Kooperation mit dem Stadtarchiv Bielefeld und dem Stadtarchiv Gütersloh

 

 

zeitgeisty digital X mapstories was developed in cooperation with re:edu and vomkiosk, based on the platform "mapstories", which re:edu founded in cooperation with Vamos e.V.

The specific content from archives contained here was researched in cooperation with the Bielefeld City Archive, the Gütersloh City Archive and a whole network of other archives, which was coordinated from the Bielefeld City Archive. It will be academically accompanied and enriched by texts in cooperation with a history seminar at Bielefeld University in the winter semester of 2023, entitled Thinking the Local Globally: Youth Culture, Protest and Music in East Westphalia since the 1950s, led by Prof. Dr. Klaus Weinhauer.

zeitgeisty digital X mapstories is funded within the framework of zeitgeisty. be part of ... Protestkulturen 1957-1967 by the Ministry of Culture and Science of the State of North Rhine-Westphalia in the programme "Regional Cultural Policy" and the Kunststiftung NRW. In cooperation with the Stadtarchiv Bielefeld and the Stadtarchiv Gütersloh.

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